Design für Musik:
Wiedererkennung

von Sebastian Hartmann

Wiedererkennung ist der Hauptgrund warum ich im vorherigen Kapitel die Kontinuität so stark betont habe. Ohne Kontinuität zerfasert eine Bandidentität. Eure Kreativität sollte nicht darin bestehen dauernd neue Looks, Logos oder Bandnamen auszuhecken. Eine gefestigte visuelle Identität ist euer Gesicht vor der Welt. Und wer will schon laufend in seinem Gesicht rumpfuschen? Bekannte Popstars der 70er und 80er habe sich teilweise mehrmals „neu erfunden“, wie die damalige Musikpresse immer gerne meinte. Aber das waren Markenrelaunches wie für andere Konsumgüter auch. Nur daß der kulturelle Kontext der Popmusik eben, neben Anzeigen und Werbespots damit auch Inhalte für die dankbaren Redaktionen lieferte. Wenn ihr die finanziellen Möglichkeiten einer nationalen oder globalen Markenpenetration für Eure Band habt, und in diesem Bereich Eure eigentliche Kreativität liegt, könnt Ihr dieses Kapitel überspringen. Die Telefonnummern von Bravo und MTV findet Ihr im Anhang.

Ich bin absolut kein Feind von Fortschritt oder Weiterentwicklung. Klar kann ein Bandlogo alle paar Jahre mal aktualisiert werden. Oder ein anderer Fotograf die Musiker ablichten. Aber ich beobachte selbst bei alten Hasen, dass sie sich durch das heute so scheinbar reichhaltige Angebot Kreativer immer wieder zu Richtungswechseln, mit im Einzelnen auch mal stümperhaften Ergebnissen, verleiten lassen. Ich weiß die paar Euro, die man durch häufige Erstaufträge erknausert, rächen sich. Mein Tip: nicht nachmachen. Lieber gute Leute suchen und dann Loyalität zeigen. Der Workflow zwischen den Partnern schleift sich spätestens nach drei Aufträgen ein. Das schont Nerven und Budget.

Die Loyalität zu Designer und Fotograf hat auch gestalterische Vorteile. Da nämlich diese Berufe die angeborene und entwickelte Handschrift des Einzelnen an den Tag bringen. Merkmale wie Schriftauswahl, Farbwelt, Licht und Struktur kann man nachmachen. Aber Eigenschaften wie Proportionen, Bildidee, Komposition und Elementkombinationen die von Mensch zu Mensch einfach anders angegangen werden. Ein Professor kann Anmutung zwar analysieren, aber auch er kann mit diesem Wissen noch nicht in die Haut des zu imiterenden Gestalters schlüpfen. Kurzum eine Kontinuität die man schwer benennen kann, die man aber fühlt.

Trotz allem ist Gestaltung für Musik in Punkto Identity etwas lockerer als für gemeine Konsumgüter oder Dienstleistungen. Das ist auch gut so. Ich denke, wenn sie erst einmal das Grundkonzept von Bandidentität intus haben, können die meisten Bands einschätzen, wie weit man gehen kann und sollte. Das ist von Genre zu Genre ganz verschieden. Metal Bands haben Logos, und die werden selbstverständlich streng und immer unverändert benutzt. Jazzer haben keine Logos, und die Cover unterliegen oft der klassischen Corporate Identity ihrer aktuellen Labels. Das sind die beiden Pole zwischen denen sich visuelle Identities im Musikbereich bewegen. Man bleibt sich treu, aber variiert was dem aktuellen Projekt entsprechend zu variieren ist. Unfeinfühlige Re-Designs können ein Phänomen auslösen: die Unterstellung von Sellout. Oder „Geruch“ des Ausverkauf. Es wird oft vermutet und nicht ausgesprochen. Das hat mit einer gestalterischen Verprellung von Szenen zu tun.

Stichwort Amateurisieung. Das Wort Amateur kommt von Liebe, doch der Umkehrschluss Profis wären nicht mit Liebe bei der Sache ist Schwachsinn.

Heute wird Szenen-intern gelernter Design-Schrott erstmal akzeptiert, und bei guten Sachen schnell das Einmischen von-, oder die Orientierung nach-, Aussen vermutet. Ein guter Designer für Musik ist sich über diesen Umstand im Klaren. Er ist sich seiner eigenen Fähigkeiten bewusst, und egal wie knapp die Kasse ist gibt er lieber einen Auftrag ab, als sich mit un-authentischem Nachgeäffe zu blamieren.

Apropos blamieren, der Moment wenn der Grafikdesigner am giftigsten ist, ist der wenn gerade über die Grenze der Mappentauglichkeit eines Designs hinweg „korrigiert“ wird. Danach ist er wieder überraschend locker bei der Sache. Die Hoffnung repräsentative Sachen zu machen entsteht bei jedem Auftrag wieder neu. Siehe auch dezente Aufmerksamkeit im vorherigen Kapitel. Übrigens ist dies der Grund warum Erstaufträge günstig sein können. Mehr dazu im Kapitel Gutes Design muss nicht teuer sein.

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